Zwei Lüner Existenzgründer erzählen

Lünen. Dietrich Dietz ist schon knapp 30 Jahre im Geschäft, Hussein Igci und Safaa Hoblos stehen noch am Anfang ihres Berufslebens. Doch eines verbindet sie: Die drei haben sich selbstständig gemacht.

Wenn Hüseiyn Igci gemeinsam mit seiner Ehefrau Safaa Hoblos seine Geschichte erzählt, klingt das ein bisschen nach einem modernen Märchen: Als Sohn türkischer Eltern hatte er es in der Schule schwer, wurde ausgegrenzt. Für ihn gebe keine Perspektive, hatten Lehrer gesagt, „aus dir wird sowieso nichts“, hatte es geheißen. Auf die Grundschule folgte Hauptschule. „Ich bin sehr oft demotiviert worden“, erinnert sich der heute 30-Jährige. „Aber nach dem Hauptschulabschluss hat es Klick gemacht: Ich glaube an Schicksal, aber auch daran, dass man das Schicksal beeinflussen kann.“

Der gebürtige Lüner engagierte sich, schaffte eine Stufe nach der anderen: Realschulabschluss, Informatik-Studium an der FH-Dortmund, Bachelor-Abschluss, erste Arbeitsstelle, Masterabschluss. Im Oktober 2021 gründeten Hüsseyin Igci und seine Frau Safaa Hoblos, die sich während des Studiums kennen gelernt hatten, gemeinsam ihr eigenes Unternehmen: Hoblos IT.

Das Büro des Unternehmens – lediglich ausgestattet mit zwei großen PCs – befindet sich im Lüntec, dem Zentrum für Unternehmensgründer des Wirtschaftsförderzentrums Lünen (WZL).

Plattformen sind innovativ

„Wir entwickeln Plattformen, die die IT-Sicherheit in Deutschland fördern“, beschreibt Igci das Ziel, wozu die beiden das Unternehmen gegründet haben. Weil es bei dem, was sie da genau machen, bisher kaum Konkurrenz gibt, die Plattformen noch in der Entwicklung sind und voraussichtlich Mitte 2022 auf den Markt kommen, möchten sie nicht weiter ins Detail gehen. Schon früher hatte Igci legal als Hacker gearbeitet; ein eigenes Unternehmen in diesem Bereich zu gründen war schon immer sein Traum.

„Mein Traum war es nicht unbedingt“, ergänzt Safaa Hoblos. „Aber ich unterstütze ihn dabei, seinen Traum zu verwirklichen.“ Die 28-Jährige wird mit ihrer Arbeitsstelle im Bereich Softwareentwicklung für eine „stabile finanzielle Säule“ sorgen, während Hüseiyn Igci auch weiterhin als Cyber Security Manager bei einem Automobilunternehmen arbeiten möchte. Das Unternehmen möchten die beiden quasi nebenberuflich betreiben. Soweit der Plan.

Beide sind sie zuversichtlich und brennen für die Idee: „Es bedeutet nichts, woher man kommt, sondern was man daraus macht“, bekräftigt der Existenzgründer noch einmal.

Kaum Corona-Auswirkungen

Safaa Hoblos und Hüseiyn Igci sind mit ihrer Hoblos IT eines von elf weiteren Unternehmen, die sich während Corona-Zeit im Lüntec angesiedelt haben. Die meisten seien aber keine Neu-Gründungen, sondern zum überwiegenden Teil aus Dortmund übergesiedelt, berichtet Carsten Balzer, Betriebsleiter des Lüntec. „Corona hat sich bei uns eigentlich nicht bemerkbar gemacht“, sagt er. „Rein bezogen auf die Vermietungen sind wir gut aus der Pandemie herausgekommen.“ 42 unterschiedliche Mieter gebe es aktuell. „Damit sind wir ganz zufrieden“, sagt Balzer.

Ein anderer der Neu-Mieter und ebenfalls Neu-Gründer ist Dietrich Dietz. Ebenfalls im Oktober hatte er mit seiner Dietz GmbH, einem IT-System-Software-Entwicklungsunternehmen, eines der Büros im Lüntec bezogen. Anders als bei Safaa Hoblos und Husseiyn Igci hatte die Pandemie bei ihm deutlich Einfluss genommen: Den Entschluss Ende 2019 gefasst, wollte er sich eigentlich schon im März 2020 selbstständig machen. „Wegen der unsicheren Situation hatte er die Gründung dann gut anderthalb Jahre aufgeschoben. „Da war mir angesichts der Lage angst und bange“, erinnert sich der 46-Jährige.

„Ich lebe davon, dass ich Unternehmen bei speziellen Problemen berate, ich löse spezielle IT-Probleme“, beschreibt Dietz das, was er mit seiner Dietz GmbH, seinem Ein-Mann-Unternehmen, tut. „Ich bin derjenige, der keinen Schlips trägt. Derjenige, der die Maschinen auch mal anfasst und sich mit Betriebssystemen auskennt.“ Seine Unternehmensstrategie sei nicht innovativ, sondern klar konservativ.

Für Dietz ist die Selbstständigkeit ein großer Schritt. Nach abgeschlossener Ausbildung zum Datenverarbeitungs-Kaufmann hatte er seit 1994 für ein und dasselbe Unternehmen in Koblenz gearbeitet. Irgendwann fehlte die Wahrnehmung für das, was er tat. Die Anerkennung dafür – trotz seiner Zwölf-Stunden-Tage. Dabei waren ihm die Stundenzettel und Tagesberichte zunehmend auf die Nerven gegangen.

„Das ist ein Alptraum, wenn man so arbeiten muss“, sagt er. „Aber das passiert, wenn der Arbeitgeber nicht versteht, was der Arbeitnehmer macht. Irgendwann habe ich gedacht, ich brauche das alles nicht mehr.“ Eine weitere, nicht umentscheidende Rolle hatte außerdem seine Lebensgefährtin gespielt, die in Lünen als Lehrerin arbeitet.

Trotz Stress zufrieden

Und so wurde Dietrich Dietz – mitten in der Pandemie – sein eigener Chef. Natürlich gibt es bei aller Euphorie darüber auch einige Schattenseiten. „Statt der Zwölf-Stunden-Tage habe ich jetzt 15-Stunden-Tage“, sagt er lachend. Wenn er so viele Stunden alleine in seinem Büro sitzt, vermisst er auch seine ehemaligen Kollegen schon mal. Und auch den Chef. „Man bleibt ja nicht umsonst so lange bei einem Unternehmen“, erklärt er.

Angst davor, dass die Kunden nicht zahlen, hatte er gehabt, denn er hatte komplett ohne Fremdkapital gegründet. Außerdem ist sein Gehalt, im Vergleich zu vorher, deutlich gesunken. „Aber“, sagt der Neu-Lüner und frische Unternehmer, „mir geht’s gut! Die Angst ist auf gewisse Weise verflogen. Ich habe das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Es ist eine echte Befreiung, sich die Kunden selbst aussuchen und selbst strukturiert arbeiten zu können.“

Quelle: Ruhr Nachrichten Lünen vom 21. März 2022